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1. Etappe | Tag 1: Von Seekirchen nach Taglio di Po (Po-Delta)

Unser erster Tag ist geprägt von einer Strecke, die wir schon so oft befahren haben und die doch immer wieder das aufregende Gefühl der beginnenden Reise vermittelt. Der Weg zwischen Salzburg und der oberen Adria ist so etwas wie ein österreichisch/italienischer Kulturpfad, den man immer und immer wieder in sich aufsaugt, auch wenn das Bereisen in den 70ern ohne die Autobahn wesentlich romantischer war. In San Stino di Livenza verlassen wir die Autobahn für eine Kaffeepause. Ein typischer Ort des venezianischen Hinterlandes, idyllisch am Fluss Livenza gelegen. Er gilt als der sauberste Fluss in Venetien und auch als einer, der großen Fischreichtum aufweist. Nach 30 Minuten geht`s weiter, wir passieren Venedig, lassen Chioggia links liegen, unser Ziel heute ist das Po-Delta. Eine außergewöhnliche natürliche Bühne, in der sich die Gewässer des großen Flusses majestätisch durch die Ebenen bewegen, bis  es zur Begegnung mit der Adria kommt, die sich am Ende eines Labyrinths aus sandigen Schilf und Inseln eröffnet. Der Delta-Park ist UNESCO-Biosphärenreservat und das zweitgrößte Feuchtgebiet Europas und vor allem eine der eindrucksvollsten Oasen Italiens. Grüne Kiefernwälder und Salz- und Süßwassertäler begrüßen eine der wichtigsten Flora und Fauna aus der ganzen Welt. Das Mosaik dieses Territoriums ist außergewöhnlich in seiner Authentizität, ein echtes Beispiel für Biodiversität, wo Wasser schon immer der Protagonist war.

Genau dort haben wir unser Bleibe für die erste Nacht gewählt, die TENUTA CA'ZEN. Das Anwesen geht auf das frühe 17. Jahrhundert zurück und war eine Schießhütte, die dem Zen, einer venezianischen aristokratischen Familie, gehörte. Zu dieser Zeit kamen viele Venezianer ins Delta, um das Land zurückzuerobern und zu kultivieren, bauen imposante Landhäuser und Schießhütten für ihre Freizeit. Und natürlich ist so ein Ort voller Geschichte und Geschichten, hier eine ganz besondere:

 

Ende der 1800er Jahre in den zwanziger Jahren verliebte sich die junge und schöne Gräfin Teresa Gamba, verheiratet mit dem 60-jährigen Adeligen Alessandro Guiccioli, in Lord George Byron. Alessandro, Teresas Ehemann, verärgert über die leidenschaftliche Liebesbeziehung zwischen seiner jungen Frau und dem Dichter, schickte Teresa nach Ca'Zen, die dann von der Gräfin in ihrem Tagebuch als "luogo triste e malarico" definiert wurde, in der Hoffnung, dass Teresa, weit entfernt vom brillanten und frivolen venezianischen Leben, mit anderen Worten, einen Sinn lernen könnte. Aber die Liebe hat keine Hindernisse und keine Grenzen. Lord Byron kam und sah seine Liebe heimlich in Ca' Zen, und von diesem Haus aus schrieb er einige seiner schönsten Zeilen: "Fluss, der an den alten Mauern rollt, Wo wohnt die Dame meiner Liebe...“

 

Die Tenuta kam in den Besitz von Elaine Westropp Bennet, die im Süden Irlands geboren wurde, und Cavalier Pericle Avanzo. Heute hat Elaine mit ihrer Tochter Aria Adelaide Avanzo Ca' Zen in ein charmantes "Agriturismo" verwandelt. Openings ones home ist seit vielen Jahren in Irland ein Brauch: eine besondere Möglichkeit, sein Haus und seine Kultur zu teilen und damit auch eine perfekte Strategie, diese schönen Landhäuser zu erhalten.

Wie war die Fahrt hierher? Unkompliziert, ganz wenig Verkehr, einmal Laden im Dreiländereck (ein Halt ohne Not, mehr den eigenen menschlichen Bedürfnissen geschuldet) und ab San Stino di Livenza mit einem weiteren Beifahrer. Paolo Mariano, ein italienischer E-Mobilitäts-Blogger und Youtuber, nutzte die Gelegenheit, einen Beitrag über ein Auto zu produzieren, das hier in Italien noch nicht eingeführt wurde. Wir staunten gemeinsam über den beispielhaft niedrigen Verbrauch (14kWh/100km Autobahn!) und den hohen Fahrkomfort des ID.7 Tourer und Paolo montierte flugs seine Kamera auf die Windschutzscheibe innen und plauderte drauf los....


Taglio di Po

Wenn man das Wort "Vorstadt-Idylle" benutzt, impliziert das die Nähe einer Stadt. Ist man mit 8000 Einwohnern schon eine Stadt? Wie dem auch sei, die Idylle ist perfekt. Und das meine ich nicht negativ oder wertend. Hier begegnet man wahrscheinlich dem typischsten Italien, typischer als an den Küsten oder in den berühmten Städten. Vorstadt. Friedlich, ruhig, und wenn man um 20 Uhr durch die Straßen schlendert, kriecht der Duft frisch gekochter Pasta ebenso aus den vorhangverdeckten Fenstern wie die Töne zu laut aufgedrehter Fernseher. Dabei hat Taglio di Po eine rühmliche Vergangenheit. Die Gemeinde verdankt ihren Namen dem großartigen Flussbauwerk der Republik Venedig in den Jahren 1600 bis 1604. Um die venezianische Lagune vor dem sprichwörtlichen Untergang durch die Flutschlammzufuhren zu bewahren, die der Po aus der Adria abführte, wurde ein "Schnitt" vorgenommen, um die Überschwemmungen durch einen Kanal zwischen Porto Viro (einschließlich der heutigen Zentren von Donada, Contarina, Taglio di Po) und dem Sacco di Goro zum Meer zu leiten, um das Wasser des Po Grande weiter nach Süden zu lenken. Nichts erinnert daran, wenn man diesen Ort besucht. Dennoch ein Erlebnis, ein wohlig warmes Gefühl, das einen beschleicht, vielleicht trügerisch, vielleicht auch wahr. Und vielleicht war Banksy auch schon mal hier, die einzige Ladestation in Taglio di Po nährt diese Illusion auf alle Fälle…


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Kommentare: 1
  • #1

    Klaus Hattinger (Mittwoch, 28 August 2024 10:30)

    Liebe Verena, lieber Leo,
    Oh wie gerne würde ich jetzt auch auf dem Rücksitz eures neuen Gefährtes sitzen um noch direkter dabei zu sein. Ich fahre aber auf dem Bürosessel dank eurer Geschichten gedankenverloren mit und beschließe gerade, bald wieder nach Italien zu reisen. �