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Farewell-Tour an den Golf von Triest

Abschiede sind immer schmerzhaft, jener von unserem ID.Buzz ebenso oder ganz besonders. Zwölf Monate hat er uns begleitet, in viele europäische Länder getragen, tausende Kilometer mit uns brav und verlässlich abgespult. Keine Pannen, keine technischen Schwächen, wie ein Uhrwerk hat er unsere vielen Destinationswünsche erfüllt. Nun geben wir ihn zurück, schließlich war er nur eine Leihgabe, vor allem zur Beweisführung, dass elektrisches Reisen nicht nur möglich ist, sondern auch besonders und resourcenschonend. Die letzten Tage wollte ich noch mit ihm verbringen, so habe ich eine Farewell-Tour mit ihm gemacht - an den Golf von Triest, weil es hier schon viel Sonne und 13 Grad Wärme hat. Die liebste aller Reisebegleiterinnen hat leider keine Zeit, aber ein mehr als guter Freund wird diese Abschiedstour mit uns (Leo und Bus) teilen.


Die 400 Kilometer vergehen wie im Flug, eine kurze Ladepause bei Arnoldstein bringt auch den Genuss einer Leberkässemmel, begleitet von einem Automaten-Espresso, mit sich. Dann die Überraschung: das Hotel "Riviera & Maximilian's" liegt in atemberaubender Position direkt am Meer und - in unserem Fall - frontal zum Sonnenuntergang, den wir unmittelbar nach unserer Ankunft erleben dürfen und bis zur absoluten Finsternis auskosten. Danach ein gepflegtes Dinner im Hotel und eine Flasche lokalen Wein, besser geht es nicht.

Der nächste Tag beginnt mit einem (Montags-) Spaziergang in Triest, wunderschön, dieser (noch) touristenfreie Stadt beim Erwachen zuzusehen. Möwen, Hafen, Schiffe - wir flanieren durch die Stadt, beobachten das Treiben auf der die Piazza dell'Unità, im Stadtteil Borgo Teresiano mit dem Canal Grande, dort nehmen einen italienischen Espresso in "Il capoluogo del caffè", der Kaffeehauptstadt. Triests Selbstdefinition hat einen guten Grund: Traditionen der Habsburger-Monarchie mischten sich hier mit jenen der multi­kulturellen Hafenstadt. Kaiserin Maria Theresia ließ im 18. Jahrhundert die Stadt zu einem der wichtigsten Handelszentren der Monarchie werden. Um 1900 war Triest einer der größten Kaffeehandelsplätze überhaupt. Den richtigen Kaffee zu bestellen, erfordert Insiderwissen: Was sonst in Italien ein Caffè, also ein Espresso ist, ist in Triest "un nero", für ganz Eingeweihte gibt es auch "un nero in b", einen Espresso in bicchiere, also im Glas. Es ist jedoch zu bedenken, dass dies nur in Triest und Provinz gilt, denn bereits in Monfalcone wird einem bei einem "nero" ein Glas Rotwein gebracht... es heißt also Acht geben. Typische Triestiner trinken im Schnitt pro Jahr 1500 Tassen Kaffee. Das ist etwa die doppelte Menge, die sonst in Italien getrunken wird. "In Triest trinkt man den Kaffee zwischendurch, in Eile. Man tritt ein, ruft schon auf dem Weg zum Tresen, gleich nach dem Gruß, die Bestellung hinüber, hält bereits die Münzen in der Hand, und während man sich ihrer entledigt, rührt man auch schon den Zucker in der Tasse um, stürzt den Kaffee hinunter, arrivederci, basta, fertig." Das schreibt der deutsche Krimiautor und Wahl-Triestiner Veit Heinichen in seinem Buch "Triest. Stadt der Winde".


Zum Mittagessen fahren wir auf die gegenüberliegende Seite von Triest. Hier öffnet sich die Bucht von Muggia, des einzigen Städtchens Istriens, das italienisch geblieben ist, nein, mehr als das, denn die reizvolle Atmosphäre ist hier eindeutig venezianisch. Nicht nur in den Bauformen: auch der Dialekt, die Sitten und die gastronomischen Traditionen künden von einer intensiven mit Venedig geteilten Vergangenheit. Noch heute atmet man in diesem Städtchen eine besondere Luft, auf einem Spaziergang in den typischen Gassen und auf der herrlichen Piazza Marconi, dem pulsierenden Herz des Städtchens, oder wenn man im Mandracchio die Fischer bei ihrer Arbeit beobachtet. Die sind es auch, die uns zu einem Restaurantbesuch am Hafen inspirieren, wir entscheiden uns spontan für "Stefano's Kitchen, Ristorante alla Bussola" - eine Entdeckung! Eigentlich hat Stefano ja die Musikschule von Muggia geleitet, dann eine Bar eröffnet, natürlich mit viel Musik & vollem Haus. Im Sommer 2021 übernahm Stefano dann eines der ältesten Restaurants von Muggia, supergemütlich, authentisch, familiär, mitten im Zentrum, mit großer Meerblick-Terrasse, und vor allen gleich neben dem Fischmarkt. Fisch ist hier Programm und Hauptdarsteller. Wir lassen und von Gabriella beraten und folgen all ihren Empfehlungen, vor allem beim Fisch und beim Wein. Der Fisch ist ein Branzino, gegart in der Salzkruste, super aromatisch und saftig, mit betörenden Aromen. Der Wein: ein Friulano in der Amphore gekeltert aus Corno di Rosazzo, natürlich biodynamisch ausgebaut, unglaublich köstlich und mit dem Fisch harmonierend. Eine Besonderheit des Lokals: die Musik. Keine Alibi-Italo-Hits, sondern alles, was in den Augen oder Ohren von Gabriela gut ist: von David Bowie über Dean Martin bis Bruce Springsteen, einfach alles, was man nicht erwartet in so einem italienischen Restaurant. Ein kulinarisches und vor allem authentisches Erlebnis.

Auf der Rückfahrt nach Triest beschließen wir, eine Enothek zu suchen, um ein paar gebietstypische Weine zu verkosten. Der Zufall und die Nähe einer Ladestation führen uns zur Piazza San Giovanni. Hier gibt es eine wichtige Institution: Triests führende Enoteca Gran Malabar. Sie öffnet bereits vor sieben Uhr morgens, um erst in der Nacht die Rollläden zu schließen. Die besten Weine Triests und seines Umlands lassen sich hier bestens neben der mächtigen Statue von Giuseppe Verdi verkosten, vor allem aber ist der Platz ein Schnittpunkt der Städter, und das Publikum setzt sich aus allen sozialen Schichten zusammen. Eigentlich war das Gran Malabar ja ein Kaffeehaus, Walter Cusmich verwandelte 1988 das 60 m² kleine Stehcafé mit eigener Rösterei in eine Enoteca der besonderen Art und schuf so den beliebtesten Treffpunkt für Weinliebhaber in Triest. In den Kellern der Gran Malabar lagern 60.000 Flaschen, die Verkostungen, die in unregelmäßigen Abständen durchgeführt werden, locken selbst internationale Spitzenwinzer wie Angelo Gaja aus dem Piemont an die Adria. Aber das wahre Talent des umtriebigen, bereits in den Ruhestand gewechselten Besitzers Walter Cusmich liegt ganz in der Nähe: bei den Weinen der Region. Er gilt nicht nur als Kommunikations-Genie, sondern auch als vinophiler Netzwerker und damit als einer der Väter des Weinwunders im Karst. Auf den beiden großen Tafeln, die hinter der Schank an der Wand hängen, sind stets jene Weine vermerkt, die es glasweise zu verkosten gibt. Es sind viele, sehr viele, und sie alle sind behutsam ausgewählt. "Ob Kante, Zidarich, Vodopivec, Ferluga oder Sancin – alle diese Winzer schafften erst durch die Präsenz ihrer Weine in der Gran Malabar den großen Durchbruch“, um den in Triest lebenden Autor Veit Heinichen noch einmal zu zitieren. So wie Commissario Laurenti, der Protagonist seiner Krimis, ist auch er als Stammgast oft hier anzutreffen. Den Rest des zu Ende gehenden Tages widmen wir noch einmal dem Sonnenuntergang auf der Terrasse des "Riviera & Maximilian's".

Die allerletzte Strecke, die wir nun mit dem ID.Buzz zurücklegen, ist der Heimweg von Triest. Wir beschließen, durch den malerischen Collio zu bummeln und bei zwei Winzern Halt zu machen, um noch etwas Wein einzukaufen. Das erste Weingut liegt in Capriva del Friuli: Villa Russiz. Über dieses Anwesen gibt es eine wunderbare Geschichte zu erzählen: 1877 heiratet Elvine Ritter von Záhony den Grafen Theodor Karl Leopold Anton de la Tour Voivrè, Mitglied einer alten französischen Adelsfamilie. Elvines Vater schenkt den Jungvermählten ein großes Grundstück in Russiz, inmitten der sanften Hügel des Collio-Gebietes. Elvine de La Tour nahm das soziale Elend in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld sehr bewusst wahr, vor allem das Problem der zahlreichen elternlosen Kinder, insbesondere die Perspektivenlosigkeit von Mädchen, die keinen Zugang zu Bildung hatten. 1873 beschloss sie, einen „Waisenversorgungs- und Erziehungsverein“ zu gründen, der sich der Ausbildung von verwaisten Mädchen widmen sollte. Dazu wurde 1875 in Russiz eine eigene Volksschule eingerichtet, die auch anderen Kindern offenstand. In der Folge entstand in Russiz ein eigenes Gebäude, das bis 1910 immer wieder um- und ausgebaut wurde. Die laufende Finanzierung erfolgte zunehmend durch den Betrieb des Weingutes auf Russiz. Die Geschichte von Villa Russiz ist eine Geschichte der Liebe, und zwar nicht nur für das Land und dessen Früchte. Bis heute verwaltet die Stiftung „Fondazione Villa Russiz“ das landwirtschaftlich erwirtschaftete Vermögen und investiert die Erträge in das Kinderheim. Die Geschichte des Weingutes erzählt von großen Intuitionen und von Großzügigkeit, von Leidenschaft, von Anstrengungen, Empfindungen und Traditionen, so auch beim Wein: alle Russiz-Weine sind die Spitzenprodukte, die das Produkt aus Erfahrung, moderner Forschung und absoluter Qualität sind, große Weine von höchstem internationalem Niveau.

Wir fahren weiter nach Corno di Rosazzo, um das Weingut zu besuchen, dessen Amphorenwein wir in Muggia getrunken haben. Es heisst Visintini und liegt auf den Hügeln von Corno di Rosazzo. Das Wechselspiel der Geschichte führte 1884 zum Erwerb des Schlosses von Gramogliano, eines stattlichen, ausgedehnten, mit Türmen versehenen feudalen Bauwerks, durch Domenico Visintini. 1915 wurde die Burg durch Nachlass an seinen Sohn Umberto weitergegeben, der dann einen landwirtschaftlichen Betrieb begann. 1973 dachte Umberto, dass der Zeitpunkt gekommen war, seinem Sohn Andrea die Leitung zu übergeben, der einem inneren Impuls nachgab und immer mehr die Tradition des Weinanbaus aufgewertet hatte. Bis zum heutigen Tag tut er dies, aber schon mit der Unterstützung seiner Kinder Oliviero, Cinzia und Palmira, in deren Hände er den Betrieb schon gelegt hat. Wir haben nur einige wenige Weine verkostet, aber das kann man sagen: Die Weine von Andrea Visintini sind nicht nur eine "Hommage an die Rebe", sondern in der Tat auch ein "Gedicht für den Gaumen", so verspricht es die Homepage. Dem können wir nur beipflichten. Um den Geschmack und die Aromen der Trauben unverändert zu halten, versuchen die "I Visintini" den Wein nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich klassischen Verarbeitungsprozessen auszusetzen. So bleibt die Qualitäten der Trauben, in der auch der Geschmack des besonderen Bodens steckt, auch in den Weinen unverändert. Den Übergang zur Praxis der Biodynamik im Weinberg war und ist für die Familie ein logischer Schritt auf dem Weg zur höchsten Qualitätsstufe. Und das zu mehr als fairen Preisen. Wir sind begeistert!

Ein paar Ladeunstimmigkeiten trübten unsere Rückfahrt nur geringfügig: Nachdem wir im Hotel nicht geladen hatten (weil die Flatrate unverschämte 30 Euro betrug und wir noch 70% im Akku hatten), steuerten wir eine AGIP-Ladesäule an, die weder unsere Karten noch die Handy-App akzeptierte, wichen auf einen EKZ-Parkplatz aus, wo das Laden immer wieder abgebrochen wurde und wurden dann erst nahe der österreichischen Grenze auf einer Raststation fündig. Dort konnten wir (bei urlangsamer Geschwindigkeit) so viel laden, dass wir bequem bis Eisentratten kamen und uns dort im Sonnenschein in den Liegesitzen (mit Massagefunktion!) des ID.Buzz eine Viertelstunde Auszeit mit IONITY-Ladung gönnten. Das Auto kann ja nichts dafür, die Infrastruktur muss halt einfach noch besser werden.

 

Nun sind wir wieder zurück und es heißt Abschiednehmen. Die Zeit, die wir mit dem ID.Buzz verbringen durften, war großartig, problemlos, pannenfrei und vor allem "gutelauneverströmend". Wo immer wir in Europa mit dem Bus auftauchten, zauberte es den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Welches andere Gefährt schafft das schon? Abgesehen vom Urgroßvater Bulli so gut wie keines, behaupte ich. Aber, wie heißt es so schön: Man sieht sich im Leben immer zweimal. Darauf hoffen wir...

NÜTZLICHE ADRESSEN:

Hotel Riviera & Maximilian's

Strada Costiera, 22

34100 Trieste 

info@rivieramax.eu

http://www.rivieramax.eu

 

Ristorante alla Bussola - Stefano's Kitchen

Via Alessandro Manzoni, 5

34015 Muggia

musicacaffe@gmail.com

https://labussola-stefanoskitchen.eatbu.com

Fondazione Villa Russiz

Via Russiz, 4/6

34070 Capriva del Friuli#

villarussiz@villarussiz.it

https://www.villarussiz.it

 

Azienda Agricola Visintini 

Via Gramogliano, 27

33040 Corno di Rosazzo 

info@vinivisintini.com

https://www.vinivisintini.com

Gran Malabar

Piazza San Giovanni, 6

34122 Trieste 

+39 040 636226

www.facebook.com/Gran-Malabar

 

Buchtipp: 

Triest – Stadt der Winde 

Autoren: Veit Heinichen und Ami Scabar 

Mit farbigen Fotografien und Rezepten,

Reisebegleiter und Genuss für alle Sinne.

 

 


Impressionen

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Kommentare: 3
  • #1

    Hubert (Donnerstag, 01 Februar 2024 14:50)

    Lieber Leo!
    Wärst Du nicht ein so ideenreicher Reise- und Erzählkünstler, würde man noch viel mehr gewahr, welch herausragender Photograph Du bist.

  • #2

    Marlies (Donnerstag, 01 Februar 2024 21:35)

    So schön zu lesen - Storytelling at it‘s best! �

  • #3

    Andrea (Montag, 04 März 2024 10:15)

    Dankeschön,nicht nur das Buch,"Um den Ärmelkanal" wunderbar,auch "Triest" sehr bereichernd,LG Andrea